Auf der Suche nach Erleuchtung verfärben wir uns, nehmen Töne an, verblassen und emanzipieren uns von uns selbst und unseren Helden. Doch der Weg zum eigenen Schreibstil ist lang und man spricht nicht gern darüber.
1. Imitiere, bis du es verstanden hast
Erinnerst du dich an die Hefte aus der ersten Klasse, in denen deine Lehrerin oder dein Lehrer dir Buchstaben geschrieben hat?
Ich habe sie geübt, Seite um Seite füllten sich Hefte mit Buchstaben. Wir wussten nichts von Buchstaben, kannten nicht das System dahinter. Esel, den kannte ich und schrieb den Buchstaben, bis er einigermaßen erkennbar war. In welchem Zusammenhang er mit diesem komplizierten e stand, woher sollte ich es wissen?
Die Übungshefte haben wir alle mit der Zeit weggelegt oder entsorgt, vielleicht verbrannt, möglicherweise zerrissen. Geblieben ist das E. Es lässt sich kombinieren, anpassen, ja sogar in anderen Sprachen verwenden.
Der Schreibstil meiner Handschrift hat nichts mit dem Schreibstil der Lehrer zu tun, deren Buchstaben ich abgeschrieben habe, immer und immer wieder.
Was hält mich also davon ab, genau so das Schreiben von Geschichten zu erlernen?
Kapitel, die besonders gut gelungen sind, lohnt es abzuschreiben, wie ich finde. Eine Analyse des Kapitels fällt dann leichter, schließlich ist man über bestimmte Formulierungen gestolpert, über Teile der Kapitel, nun gilt es herauszufinden:
Warum würde ich diesen Satz, dieses Kapitel anders schreiben? Warum hat er/sie/es anders verwirklicht?
Es geht nicht darum, zu schreiben, wie derjenige, von dem man lernt. Das klappt sowieso nicht.
Es geht darum Grundzüge zu erkennen, sich diese zu eigen zu machen und daraus den eigenen Schreibstil zu entwickeln.
Anders als mit dem Üben der Buchstaben in der Grundschule kann ich es nicht vergleichen. Das E soll nicht genau so aussehen, wie das dessen von dem man lernt, es dient dem Verständnis wo ein Schwung gesetzt werden und an welcher Stelle er weggelassen werden muss. Schreibhefte, haben nur den Zweck bei der Entwicklung des eigenen Schreibstils, besser der eigenen Handschrift, Unterstützung zu leisten, keinen anderen.
Mit der Zeit geht der Schwung in das eigene E und setzt Verformungen, dünnere, dickere Abschnitte hinzu, an einigen Stellen setzt der Stift ab, reißen Gedanken. Zumindest lief es damals so. Warum also nicht auch in anderen Bereichen?
2. Was finde ich schön? Gehört das zu meinem Schreibstil?
Meine Handschrift hat absolut nichts mit den hübschen Buchstaben in den Lehrheften gemein, gar nicht.
Dass ich mich mit manchen Buchstaben abgemüht habe, um sie mit einer lockeren Handbewegung auf das Papier zu bekommen, erkennt man auch nicht. Trotzdem wollte ich unbedingt, dass bestimmte Buchstaben eine prägnante Form Annehmen, einfach weil es mir gefiel und meinen Schreibstil verbesserte.
Also geht es bei Geschichten auch daran herauszufinden, warum unbedingt dieser kleine Teil so aussehen soll. Unbedingt als Attribut ist nun entscheidend.
Die größte Frage an meine stummen Lieblingsautoren ist: Wie machst du das?
Bücher sind dazu da gelesen zu werden, mit einem Teil davon wird gearbeitet, andere werden gelesen, manchmal zerlesen.
»Bücher sind Arbeitsmaterial«
Worte aus meiner allerersten Schreibgruppe. Meine Konditionierung im Umgang mit Büchern besteht darin, dass sie wie Schätze gehütet werden müssen. Bücher sind wertvoll, egal was sich zwischen den Buchdeckeln befindet. Klebezettel sind der einzige Ausweg.
In meinem Rucksack trage ich Tag für Tag ein Buch mit mir, das ich zerlesen werde, dessen bin ich mir sicher. Vielleicht hast du auch ein Buch, das dich so an sich bindet, dass du es zu einem Teil von dir machen willst?
Analysiere dein Lieblingsbuch hoch 9 und stelle ihm Fragen:
- Struktur (Wo sind [Wendepunkt||Vorstellungsrunde||…])
- Hauptfigur (Wie veränderst du dich?)
- Nebenfigur (Wie veränderst du dich?)
- Antagonist (Wie veränderst du dich?)
- Dialog (Wie würde ich das machen? Macht der/die Autor(in) es besser? Warum?)
- Emotionen (Wie schaffst du [AutorIn], dass ich falle, obwohl du nicht sagst, dass es deiner Hauptfigur schlecht geht?)
- Gegenstände (Warum wird das ständig herumgeschleppt?)
- Motivation jedes einzelnen in diesem Kapitel (Wirklich von jedem! Was will wer warum?)
- Was will der Autor in diesem Kapitel aussagen? (Möchte er/sie über Überbevölkerung sprechen, den Unterschied zwischen Stadt/Land, Generationen, Diktatoren, Depression? Was ist die Meta-Aussage?)
Schreibstil, das ist die Essenz unserer eigenen Anstrengungen, der Saft, den wir aus den Trauben herausgepresst haben. Ob daraus Essig oder Wein wird, ist eine Frage der Zeit, beides wird geschätzt.
Anzumerken ist, dass bei dieser Art des Lesens und Herausarbeitens des Schreibstils die Magie verloren gehen kann, bei mir verhält es sich so. Ebenso verleiten Analysen dazu, sie auf andere Bereiche auszudehnen, beispielsweise auf Filme usw., wodurch leider viele Geschichten ihre Überraschungen verlieren.
Vielleicht ergeht es Magiern ebenso. Kennt der Zuschauer den Trick, ist er nicht mehr interessant.
Wer möchte denn aber Zuschauer sein? Magier braucht das Land, also finde den Trick heraus und die Königsdisziplin, die zu deinem Schreibstil führt: Erfinde deine eigenen Tricks.
3. Bau deinen eigenen Schreibstil aus
Hier beginnen die Probleme. Du bist nicht Autor A oder B. Du bist nur du, hier. Jetzt geht es, sollte das nicht bereits in den vorangegangenen Punkten geschehen sein, darum herauszufinden, wer du bist.
Mein Schreibstil wird so werden, wie ich es mir wünsche, also lasse ich bereits in den Phasen des Zusammenschraubens eigene Erwartungen einfließen.
Du magst Adjektive nicht? Es klingt nicht, wenn du schreibst: »Ein großer Mann kam durch die Tür«?
Hm. Was kann man verändern? »Kälte strömte in den Raum. Ein Kopf wurde eingezogen. Haare streiften Holz. Er verpasste den Türsturz.«
Mittlerweile gefällt es mir auf diese Art. Also vermeide ich möglichst Adjektive, wenn es darum geht Texte zu Papier zu bringen.
4. Lass dir Raum und Zeit
Den eigenen Schreibstil zu finden ist etwas, das nicht über Nacht geschehen kann. Zu viele Baustellen harren ihrer Fertigstellung.
Mainzelmännchen werden sich ihrer nicht annehmen, also geht es darum, dass wir uns für jeden Abschnitt, der unseren Schreibstil verbessert, genügend Zeit nehmen, besonders wenn es darum geht zu fragen, ob das noch ich bin, oder jemand anderes.
Glaubst du, dass es jemand anderes ist, den du unbewusst kopierst, dann muss an dieser Stelle der Schreibstil wieder in einem langen Prozess angepasst werden.
5. Füge deinem Schreibstil neues hinzu und lerne die Leser kennen
Du magst Science Fiction nicht?
Schau bei den Science Fiction Autoren, die dir vertrauenswürdig erscheinen, nach, welche Bücher sie empfehlen und lies einen Teil davon.
Du findest Fantasy ist nicht dein Ding?
Mach dich auf den Weg und finde einen Fantasyfan, der dir den neuesten oder ältesten heißen Kram zeigt und lies es.
Hochliteraten findest du schwierig?
Finde heraus, warum sie glauben besser zu sein, als die Fantasy und Science Fiction Fraktionen. Egal wie schwer oder langweilig die Texte dir erscheinen. LIES SIE!
Es geht nicht darum zu beweisen, dass das wirklich nicht dein Genre ist. Es geht darum, herauszufinden was diese Bücher so anbetungswürdig macht für ihre Anhänger und wo du von ihnen lernen kannst. Wenn du keine Lust auf das Buch hast, dann gibt es vielleicht eine Verfilmung, die dir zusagen könnte.
Ich habe jemanden, einen Fan, darum gebeten mit mir den ›Herrn der Ringe‹ zu schauen. Wie konnte ich wissen, wie konnte ich ahnen, was geschehen würde? Freudestrahlend suchte dieser eine DVD-Box mit der Aufschrift ›Extended Edition‹ heraus. Damit, dass aus dem ›Lass mal kurz Herr der Ringe gucken. Du antwortest auf alle Fragen, ja?‹ ein über zehn Stunden langer Filmmarathon würde, rechnete ich nicht.
Die Erkenntnis daraus? Details schlagen Oberflächlichkeiten in jedem Genre.
Herauszufinden wo die Grenze ist, oder welche Details wichtig sind, denke ich, ist eine langjährige Aufgabe.
›Ein Mann erhängte sich am Baum. Sie eilten ihm zur Hilfe.‹
Klingt es für dich auch wie der Eintrag auf dem Einkaufszettel ›2 Stück Butter mitbringen‹? Wie wäre es mit:
›McPhersons Geige lag zerborsten neben dem Wetzstein. Fußspitzen rührten an den Blüten der Gräser. Sie eilen zu ihm, durchtrennen den Strick um seinen Hals. Stöhnen, als der Apfelbaum von seiner Beute ließ.‹
Mir gefällt die zweite Variante besser und ich bin mir sicher, hier geht noch mehr.
Egal wie lang der Weg ist, jeder Schritt nach vorn, verkürzt das Stück des Weges, das vor dir liegt.
6. Sammle Inspirationen für deinen Schreibstil
Bücher, Bilder, Filme, Spiele, Opern, Musicals, Blogs, sie alle bieten Möglichkeiten, um Ideen zu sammeln.
Betrachtest du ein Bild im Museum, tritt möglicherweise zuerst die Frage auf den Plan, warum gerade dieses Bild Aufmerksamkeit weckt und danach folgt die Frage, wohin habe ich zuerst geschaut als ich stehen geblieben bin.
Ist es eine Menschenansammlung, und der Blick hängt an den schwarzen Fenstern fest, aus denen ein Mann mit Zipfelmütze schaut, macht es Sinn sich zu fragen, warum man dorthin geschaut hat.
Was könnte dieser Person passiert sein, oder passieren?
Warum ist er für den Maler interessant genug gewesen, dass dieser ihn in sein Bild integrierte?
7. Sieh auf deinen Schreibstil zurück
Schau dir die Schreibhefte an, die du in den Wochen und Monaten gefüllt hast. Was ist besser geworden? Woran musst du noch arbeiten? Sicher hat sich irgendetwas verbessert. Auch wenn du nicht mit dem zufrieden bist, was du siehst, es ist besser geworden, denn du hast daran gearbeitet.
Haben sich deine Texte nicht in einem Vernichtungsanfall selbst verbrannt, kannst du daran arbeiten und wenn doch: Schreibe neue, schreibe bessere Geschichten.
Was meinst du? Ist das ein Weg um den eigenen Schreibstil zu verbessern, oder bist du der Meinung, dass man sich auf gar keinen Fall so sehr an anderen orientieren sollte? Siehst du weitere Punkte, die ich vergessen habe? Wie würdest du die Sache angehen, deine Geschichten und deinen Schreibstil zu verbessern?
Schreib es mir in die Kommentare.
Schreibe einen Kommentar