Wir sitzen am Esstisch, ich inhaliere mein Mittagessen, will noch etwas vorbereiten, den Blogbeitrag „wörtliche Rede“ zum Beispiel.
Er erklärt den Unterschied zwischen Nord- und Süditalien. Wie wichtig der Norden für den Süden sei. Der Süden, der Süden ist etwas ganz anderes. Süditalien ist eben etwas gröber, der Norden feiner, ein Unterschied wie Bulgur und Mehl.
Sie, eine Kollegin, möchte gefallen. Ihr munden Süden und Norden gleichermaßen.
»Claudia, Mailand oder Palermo?!«
»Nicht relevant.«
Wieder spricht er davon, wie wichtig es ist, dass man Norden und Süden unterscheiden könne. Es wird gesellschaftlich sanktioniert, wenn du den geschwätzigen Tischnachbarn mit dem Teelöffel erstichst, also esse ich.
Wie kann die wörtliche Rede aussehen?
Sie kann so aussehen [Beispiel 1]:
Lucca meinte: „Gehen wir nach Firenze.“
oder so [Beispiel 2]:
„Aber die Medici“, sagte Julia.
oder so [Beispiel 3]:
„Nicht über den Ponte Veccio“, flüsterte Lucca, „ am Arno entlang.“
oder so [Beispiel 4]:
»Du bist ein gutes Tier.«
Er strich der Katze über den Kopf und brach ihr Genick.
Geschwätzig, redselig, mitteilungsbedürftig, gesellig, wortgewandt, beredt, alles Wörter, die eines vereint, nämlich dass der Charakter spricht. Ob das vorteilhaft oder nachteilig ist, wie immer eine Perspektivfrage, die von den Vorlieben des Einzelnen abhängt.
Zweck der wörtlichen Rede
Mein Eindruck ist, dass wir Sprache im Alltag nutzen, um uns zu verständigen, wenn die Körpersprache nicht genügt. Gehen wir also davon aus, dass Sprache als zusätzliche Kommunikationsmöglichkeit genutzt wird, um zu ergänzen, was nonverbal nicht transportiert werden kann, dann ist es auch sinnvoll das bei Geschichten zu übernehmen.
Bücher, die am eindrucksvollsten waren, verwandten die wörtliche Rede, wenn es etwas zu sagen gab. Eine inflationäre Verwendung der wörtlichen Rede wurde unterlassen. Mir gefiel das.
– Vergiss bitte nicht, dass das die Bücher sind, die mir gefielen. Bei dir kann das ganz anders sein. Es gibt einige Autoren, die Ihre Figuren kaum sprechen lassen. Andere füllen fast das gesamte Buch mit der wörtlichen Rede, der Nächste findet ein ausgewogenes Verhältnis.-
Eine Information, die nicht nur dem Leser, sondern auch einer mit dem Charakter interagierenden Figur mitgeteilt werden sollte, wurde bei meinen Lieblingen wörtlich verwendet. Es wird offensichtlich viel weniger gesagt, als gemeint.
»Aber die Medici« beinhaltet, dass Julia und vielleicht auch Lucca sich durch diese Familie bedroht fühlen. Sie muss nicht sagen, was geschehen ist. Wollten sie an das Meer, könnte Julia sagen: »Aber das Wasser«. Suggestiv kann so darauf hingewiesen werden, dass sie schlechte Erfahrungen mit dem Meer oder Wasser hat.
Ist Julia Nichtschwimmer? Warum will sie nicht zum Wasser?
Wörtliche Rede, die mehr Fragen aufwirft als beantwortet, ist spannend.
Gleiches gilt für Lucca. Mit »Du bist ein gutes Tier.«, kann er als Tierfreund ausgewiesen werden. Warum aber bricht er der Katze das Genick? Wie hängt diese Handlung mit Florenz zusammen? Ist er vielleicht keiner der »Guten«?
Wer weiß das schon.
Am liebsten mag ich dieses vierte Beispiel. Es lässt so viel Freiraum für irrationales Verhalten. Menschen sind ständig irrational. Sie wollen nicht mit Kindern arbeiten und machen ein Praktikum im Kindergarten, nur um sich zu beweisen, dass sie wirklich nicht dafür gemacht sind. Sie verabscheuen Gruppenarbeit und suchen sich große Teams, weil sie ihre Sozialkompetenz beweisen wollen.
Wir veranstalten alle so viel Unsinn. Diese Form der wörtlichen Rede ist zauberhaft, um das Irrationale zwischen Handlung und Aussage zu verdeutlichen.
Zwischen Sinn und Unsinn
Die Einleitung oben, im realen Leben ein herzzerreißender Monolog von zehn Minuten, wollte ich euch nicht zumuten. Wer reden kann, verschafft sich Vorteile. Welchen Zweck aber hat Smalltalk in Texten?
Stehen Menschen einer unmittelbaren Gefahr gegenüber, sagen sie nicht:
»Oh, da kommt eine pyroklastische Wolke, lass uns fliehen. Wir sind in Gefahr.«
Da die Natur effizient ist, spart sie Energie, wann immer sich die Gelegenheit dazu bietet. In diesem Fall ist es der Atem. Die Glutwolke lässt sich nicht totquatschen.
Wenn du und ich ganz ehrlich zu einander sind, dann würden wir in einer solchen Situation auch gar nicht auf die Idee kommen etwas zu sagen. Im Besten Fall würden wir den Nachbarn zurufen: »Der Vulkan!« Im Vordergrund steht das Überleben. Kommunikation als Marketingzweck, das gibt es nur bei Präsentationen und Vorstellungsgesprächen. Ok, manchmal auch bei einer Verabredung mit einem potenziellen Partner. Griffige Informationen werden in einem solchen Fall weniger ausgetauscht. Dann geht es darum zu reden, weil keiner die Stille des anderen ertragen kann.
Wer die Stille des anderen nicht erträgt, befindet sich in unpassender Gesellschaft.
Damit hat sich die Kommunikation dann erledigt. Kommunikation ist selten Selbstzweck, viel öfter Notwendigkeit.
Das alles lässt sich in einem Blogartikel aber viel leichter aufschreiben als umsetzen. Darum habe ich in meine Überarbeitungen eine extra Runde eingefügt, die sich um nutzlose Dialoge kümmert.
Gott, was sammelt sich immer an Müll zwischen den Zeilen, wenn du nicht aufpasst.
Wie magst du deine wörtliche Rede? Soll viel gesprochen werden, nur das Wichtigste oder soll es ein ausgewogenes Verhältnis sein?
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