Mit „So schmeckt Rheinhessen“ lud am 19. August 2018 das Landesmuseum Mainz zu einem Marktplatz der regionalen Köstlichkeiten ein. Regionale Unternehmen präsentierten in angenehmer Atmosphäre ihr Angebot. Ich war nie in Mainz, der Mitbewohner meinte: „Da fahren wir hin.“, noch bevor ich mir sicher war, ob ich schon wieder ein Abenteuerwochenende schaffe und natürlich steht die Pflicht im Raum einen kurzen Artikel zu schreiben. Bezahlte Werbung? Vielleicht, gab Salami, Wein und Olivenöl als Präsentkorb, schmeckt wunderbar.
Sie präsentierte sich als Stadt der Gegensätze. Auf dem Domplatz Laternen, die an Sputniklampen erinnern. Mainz, ich weiß nicht wie ich mir die Stadt mir vorgestellt habe. Erfurtig vermutlich – wo sich auf dem Anger die KiKa-Figuren blauer Elefant und Maus präsentieren, Käpt’n Blaubär und Hain Blöd in der Gera paddeln – kommen Sie mir nicht mit dem Rhein als Wasserstraße, in der Gera kann man in Erfurt auch paddeln, wird das Wasser vor der Krämerbrücke mit Holzbrettern gestaut – und Bernd das Brot grüßt am Rande des Fischmarktes. Machen wir uns nichts vor, Besucher stehen in Erfurt ständig neben den Figuren und schießen Fotos. Kinder klettern auf die Tigerente in der Schlösserstraße, solange Oma und Opa herausfinden, wie der Fotoapparat zu bedienen ist.
Folgerichtig müssen die Mainzelmännchen des ZDF in Mainz auf öffentlichen Plätzen stehen. Self-fulfilling prophecy, Sie haben davon gehört? Grober Unfug. Der Weg vom Bahnhof zum Museum, gesäumt von Häusern mit leeren Augen, wenig repräsentativ, jeder Ort hat solche Straßen, Ecken, Nord wie Süd, nichts Ungewöhnliches, Stadt und Land sind da gleich. Keine Mainzelmännchen am Rhein oder drin, auch nicht auf öffentlichen Plätzen.
Ungewöhnlich ist das Kontrastierende, der sprunghafte Wechsel zwischen Normalität und heiler Welt. Am Dom wird Mainz plötzlich romantisch.
Dicht am Museum, der Rhein in Sichtweite, wird es plötzlich repräsentativ. Maps sagt, der Weg zwischen Hauptbahnhof und Museum ist zu Fuß in zehn Minuten zurückzulegen. Es ist ruhig, eine Stadt am Sonntagmorgen.
Das Museum, strahlt Gemütlichkeit aus und könnte so auch in einer Kleinstadt stehen. Das Spektrum des Regionalmarktes reicht von lokalen Weinen, Brot aus dem Holzofen, Kuchen in der Dose, extravaganten Eissorten und veganen Snacks bis zu würzigen Würsten. Der Regionalmarkt war nur eine von vielen Veranstaltungen zum europäischen Kulturerbejahr, die im letzten Jahr stattfanden.
Musiker, in sich gekehrt über die Instrumente gebeugt, im Hintergrund eine kleine Grünanlage mit Äpfeln, Weintrauben und anderen Obstsorten, die der Besucher entdecken kann, sorgen für eine entspannte Atmosphäre. Ein junger Vater mit Kind, Wanderrucksack, Bier in der einen Hand, Kinderwagen in der anderen, reicht dem Nachwuchs Eis und wippt mit dem Fuß im Takt.

In der Nähe des Domes findet sich eine Fleischboutique, erzählen sie, als ich eine Salami kaufe. Ich weiß, dass ein kleines Präsentpäkchen am Empfang auf mich wartet. Egal, was angeboten wird, macht mich neugierig und daheim freut man sich immer über Besonderes. Vermutlich ist die Bezeichnung Fleischboutique Teil des Marketings, klingt edler als Fleischerei.
Männlich, autodidaktischer Koch, wie er sagt, bietet glutenfreie Waffeln und kohlehydratarme Kekse an. Sein Unternehmen, Start-Up möchte ich sagen und weiß nicht, ob es zutrifft, vertritt er auf Märkten und bietet seine Produktkreationen an. Im Schatten eines anderen Zeltes der Pestomann, mit exotischen Pestokreationen, darunter Spargelpesto und Honig-Schokopesto, sehr exotisch.
Winzer und Bierbrauer schaffen es, in der Gluthitze ihre Waren zu verkaufen. Die Sonne brennt auf unbeeindruckte Zelte und Besucher herab, die den Produzenten aufgeschlossen lauschen, fragen Stellen, nicken.

Stehe beim Whiskykuchen aus der Dose Unternehmerinnen gegenüber. Vor Jahren beim Zelten im Wald am See gehört, dass alles in der Dose Atomfutter und darum ewig halbar sei, damals hielt man mir eine Konserve mit Fleischinhalt - Mindesthaltbarkeitsdatum vor drei Jahren überschritten - unter die Nase. In der Sommerpause der Nachrichtensprecher ging es darum, dass Normalbürger für den Ernstfall Vorräte anlegen sollten, Trinkwasser, Hülsenfrüchte, Nudeln, Getreide…
Whiskykuchen in der Dose lässt sich vergraben für den Ausnahmezustand und den Whiskykennern im Freundeskreis als Weihnachtsgeschenk anbieten.
Mainz ist mir sympatisch, hier wird pragmatisch gedacht.
Impressionen Markt regionaler Köstlichkeiten
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Die Musiker wechseln das Thema, es wird romantisch, das Publikum entstammt allen Altersgruppen. Freundinnen – Teenager – begrüßen sich im Foyer, Umarmung, Neugierde und die Aussicht auf ein Weihnachtsgeschenk für Angehörige, eine Kleinigkeit für die Schwester, die im anderen Bundesland arbeitet und keine Zeit für den Ausflug in das Museum hatte.
Ein älteres Ehepaar, aneinander gestützt, darauf bedacht sich gegenseitig aufrecht zu erhalten, weichen einem vorbeirollenden Dreirad aus. Ein Vater im Liegestuhl, Jeans, Lederschuhe, Weinglas in der Hand, das Kind nebensächlich beobachtend, rückt seinen Stuhl weiter in den Schatten neben den Musikern und lässt den Nachwuchs machen.
Ein Junge, hüfthoch, hält seinem Papa den Eislöffel entgegen.
„Koste, schmeckt ganz frisch.“
Ist Sonntag der Tag der Väter? Der Tag, an dem die Papas mit dem Nachwuchs einen Ausflug unternehmen. Ist das nur ein Eindruck? Egal. Vermutlich ist das dieses Mainz, diese regionale Eigenheit, die Städte und Dörfer voneinander eint und trennt.
Die beiden Freundinnen sitzen mittlerweile im Schatten einer Baumkrone an einer Bierzeltgarnitur und schlagen die Zähne in ihre Brätel (Steak/Fleisch/Stück vom Tier).
Wespen umrunden Waren, Verkäufer und Interessenten, bloß nicht die Arme heben, nicht damit niemand die Schweißflecken sieht, nein, wegen der Wespen, schmerzt sicher fürchterlich, wenn sie in die Achselhöhle stechen. „Zu Tisch – 2000 Jahre Genusskultur in Rheinland-Pfalz entdecken“ ist mit einem Stand vertreten. Im Museum selbst findet sich eine Sonderausstellung zu Trinkgefäßen. War schon im Zwinger in Dresden, in der Porzellansammlung. Habe nur Zeit für eines, Dom oder Museum. Entscheide für den Dom, bin müde, will mich setzen.
Der Dom ist die rote Festung in der Stadt. Im Kreuzgang ist es Still. Sicher sitzen Studierende der Stadt im Sommer hier im Schatten oder in der Sonne, den Rücken an einen Pfeiler gelehnt, schreiben oder lesen und warten darauf wegen Rowdytums herausgeworfen zu werden.
Impressionen Mainz
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Abgeschirmt hinter den dicken Mauern, herrschen Licht- und Farbenspiel der Bleiglasfenster im Kirchenschiff. Draußen ist wieder die Moderne, die Stadt, der Lärm und Menschen. Besucher umrunden den Dom und stoßen schließlich auf Fachwerkhäuser, hergerichtet mit Blumenkästen vor den Fenstern - Märchenparkstimmung. Sie bilden einen scharfen Kontrast zu den Laternen, die mit ihren Glasschirmen auf dem Domplatzauf mich deplatziert wirken, eher Plattenbausiedlung als Domplatz, sicher der Übergang vom Alten zur Moderne. Sicher ist Mainz ganz anders, muss das erkunden, wenn mehr Zeit ist als zehn Stunden in der Stadt.
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