Heute geht es zum zweibeweibten Graf von Gleichen, den Kreuzzügen und einer in hellen Farben leuchtenden Burgruine im Herzen Thüringens. Burg Gleichen, deren Name deutlich ausgesprochen werden möchte, da die Menschen sonst Burg Leichen verstehen, ist eine mittelalterliche Höhenburgruine.

Ausgehend vom Erfurter Hauptbahnhof gelangst du nach fünfzehn Minuten Fahrt, einmal in der Stunde fährt ein Zug, nach Wandersleben. Von hier aus kannst du Burg Gleichen zu Fuß erreichen. Mit dem Auto gelangst du über die A4, mit dem Fahrrad über den Radweg, zu Fuß oder mit dem Pferd hierher.

Am bekanntesten aus der Region ist die Sage um den Grafen von Gleichen und seine zwei Frauen. So ist das auch der Grund aus dem ich hierhergekommen bin.

Eine romantische Sage – der zweibeweibte Graf von Gleichen

Ein Graf von Gleichen, bereits verheiratet und mit Kindern gesegnet, wird zu den Kreuzzügen gerufen. Im Kampf gegen die Türken gerät er in Gefangenschaft des Sultans und wird versklavt. Dessen Tochter wird auf den Grafen aufmerksam und verliebt sich. Durch die Lebensweise in ihrer Heimat daran gewöhnt, dass ein Mann mehrere Frauen heiraten darf, ringt sie ihm das Versprechen der Ehe für seine Freilassung ab. Auf der Flucht gelangen sie nach Venetien. Von hier aus macht sich der Graf von Gleichen auf nach Rom. Er schildert dem Papst seine Lage, dass er zwar daheim Frau und Kinder habe, zugleich aber der fremden Prinzessin seine Freiheit verdanke. Dieser sieht ein, dass der Mann ohne die Hilfe der Prinzessin nicht habe entkommen können und gibt dem Bündnis seinen Segen. Zusammen mit der Sultanstochter kehrt der Graf in seine Heimat zurück. Seine erste Gemahlin, froh darüber keine Witwe zu sein, nimmt die Prinzessin mit Freuden auf und alle drei leben ohne Gezänk für den Rest ihres Lebens auf der Burg.

1591 wird die Sage als Schauspiel und 1625 als Komödie aufgeführt.

Romanische Straße – Transromanica und Via Regia

Die Burg Gleichen erhebt sich über die Landschaft der »Drei-Gleichen« heute als Ruine. Es finden sich in Sichtweite auf zwei weiteren Anhöhen die Wachsenburg und die Mühlburg. Wer der europäischen Kulturroute, der Transromanica, folgt, gelangt nicht nur zu den drei Burgen, sondern auch zum mittelalterlichen Wohnturm an der Via Regia.

Unter den Zivilisationswegen ist die Via Regia eine der ältesten und längsten Verbindungen, die es zwischen West- und Osteuropa gibt. Sie verbindet heute acht europäische Länder. Existent ist sie seit mehr als 2000 Jahren.

Zwischen Fahrradweg und Straße, von Wandersleben kommend, begegnen dir zwei Steinkreuze.

Sühnekreuze auf dem Weg zur Burg

Steinkreuze oder Sühnekreuze stehen seit dem Spätmittelalter an den Orten, an denen Menschen ein jähes Ende ereilte. Sie erhielten die Sterbesakramente zuvor nicht. Vorübergehende Reisende sollten ein Vaterunser für das Seelenheil des Toten sprechen.

Bei Mord und Totschlag wurde der Täter dazu verpflichtet ein Steinkreuz aufzustellen. Eines der Kreuze hier soll, der Sage nach, an die Ermordung des Bischofs Burkhard von Lausanne erinnern. Bei der Belagerung der Burg, während der Sachsenkriege, im Jahr 1089 endete sein Leben. Landläufig wird es auch als Bischofs oder Mordkreuz betitelt.

Steinkreuz oder Sühnekreuz

Es stehen Pflaumenbäume am Fahrradweg zwischen Wandersleben und der Burgruine, dazwischen findet sich eine Gastwirtschaft mit dem Namen Freudenthal. Du erinnerst dich noch an den Grafen, der die Sultanstochter mit zu seiner Frau nahm?

Freudenthal – Gastwirtschaft und Gehöft

Hier sollen sich laut der Legende die beiden Frauen bei der Rückkehr des Grafen getroffen haben. Noch heute wird aus diesem Grunde der Ort am Fuße der Burg Freudenthal genannt. Eindrücke von Burg, Freudenthal und Essen findet ihr auf der Seite der Gastwirtschaft und unter dem Menüpunkt „Wanderbares Burgenland“.

Freudenthal

Zum Gehöft gehörten Mühle, Obstgarten, Hopfen und Weinberge, Brauhaus und Eselsbrunnen. Der Hof zählte als Ausspanne für Fuhrleute und Händler. Wer vom Süden in den Norden wollte oder von Ost nach West, rastete hier. Heute können noch immer Reisende und Wanderreiter mit ihren Pferden in der Gastwirtschaft unterkommen. Vier Koppeln bieten Reittieren Platz zum Rasten und Grasen.

Kulinarisch wählten die Wirte für ihr Restaurant das Motto „Thüringen küsst Franken“. Wer hungrig von der Burg kommt oder als Radwanderer unterwegs ist, kann sich auf Stuhl oder Bank fallen lassen. Hier schmeckt’s.

Sitzgelegenheit im FreudenthalWer auf die Toilette muss, sollte nun die Gelegenheit nutzen.

Auf der Burgruine ist keine zu finden und es kann wirklich dauern, ehe du wieder unten bist, wenn du auf die Toilette musst.

Ein Pfad, der sich bald zu einem Weg verbreitert, führt hier zwischen Büschen und Bäumen hinauf.

Burg Gleichen und ihre Zahlen

Von der Mitte des 10. Jahrhunderts ausgehend, herrschten auf der heutigen Burgruine die Grafen von Gleichen.

Eine Filterzisterne, heute umkränzt von einem Eisengitter, das sehr schön gearbeitet ist, versorgte die Burgbewohner mit Trinkwasser. Das geräumige Herrenhaus mit dem aufwendigen Renaissanceportal entstand Ende des 16. Jahrhunderts.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Burg beschädigt, ihr Verfall setzte ein. Mitte des 18. Jahrhunderts war die Ruine der Schlupfwinkel einer gefürchteten Räuberbande, deren Vernehmungsprotokolle angeblich Friedrich Schiller zu »Die Räuber« inspirierten.

Zeltend und würstchengrillend hier oben um ein Feuer sitzen? Halleluja, wie aufregend! Wären da nur nicht die Mäuse und das schlechte Gewissen, dass man als Besucher etwas unbeabsichtigt zerstören könnte. Es gibt hier oben unglaublich viele Mäuse. Offenbar an Menschen gewöhnt, kann man ihnen bis auf einen Schritt nahe kommen.

Zeitstrahl

1089 Erwähnung der Burg im Zuge der Belagerung durch Kaiser Heinrich IV.

Die älteste Keramik stammt aus dem 7./8. Jahrhundert und belegt eine frühe Nutzung. Erwähnt wurde sie erstmalig im Zuge der Sachsenkriege. Von diesen gibt es zwei, einmal die Karls des Großen und dann die Heinrich des IV. Karl starb bereits im Jahr 814.

Als Vögte der Stadt Erfurt sind die Grafen von Gleichen ein bedeutendes Grafengeschlecht ihrer Zeit und sicherten die Mainzer Herrschaft über die Stadt.

1120 ab hier sind die Grafen von Gleichen über 50 Jahre hinweg die Vögte der Stadt Erfurt. Sie besitzen das Patronat über das Erfurter Peterskloster, das ihnen als Grabstätte dient. Den Waren- und Personenverkehr nach Erfurt sichern sie mit Burg Gleichen ab.

Um 1130 ist sie im Besitz des Erzbischofs von Mainz.

1162 Grafen von Gleichen werden als Lehnsträger erwähnt.

1178 Thüringer Landgrafen und die Grafen von Gleichen tragen eine Fehde aus. Die Burg wurde teilweise zerstört.

1231 Blitzschläge setzen Burg Gleichen, Wachsenburg und Mühlburg in Brand.

Am 31. Mai 1231 habe es ein schweres Unwetter über den Burgen gegeben. Blitze entzündeten Brände auf allen drei Burgen. Türme und Schutzwehre brannten nieder. Am Turm der Burg Gleichen lassen sich Brandspuren ausmachen, die mit dem Unwetter in Verbindung gestanden haben können.

1535 Errichtung des Kanzleigebäudes

1573  Bis hier war die Burg ständiger Sitz der Grafen. Die Witwe Georg II. von Gleichen, Walpurgis, verlegte ihren Hauptwohnsitz nach Ohrdruf bei Gotha, in das Schloss Ehrenstein.

1588 Neubau des Herrenhauses im westlichen Teil der Burg, durch Graf Phillip Ernst, er nimmt seinen Wohnsitz auf der Burg wieder ein.

1599 Das Leben der Grafen auf der Burg endet.

1631 Die Grafen von Gleichen sterben aus.

1655 Burg Gleichen wird systematisch abgebrochen, um Baumaterial zu schaffen für das niedergebrannte Wandersleben.

1641 – 1794 Lehen der Grafen von Hatzfeld-Gleichen

1806 – 1813 ist die Burg französisch, nach den Befreiungskriegen gehört sie zu Preußen und fällt durch ihren Verkauf an General Freiherr von Müffling. Jener nutzt Bauteile der Burg für sein Gut Ringofen bei Mühlberg.

1842 Teilabbruch des Herrenhauses und des romanischen Wohnbaus

1897 Sicherungsmaßnahmen an der Ruine, Ausbau des Turms

1934-1937 umfassende Wiederherstellungsmaßnahmen

1998 Burg Gleichen und die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten finden zueinander. Die Stiftung kümmert sich bis heute um die Anlage.

2013 Sanierung des Turmes, Erneuerung der Dauerausstellung des Naturkundemuseums der Stadt Erfurt.

Vom 25. März bis zum 31. Oktober ist die Burgruine von Montag bis Sonntag geöffnet. Besucher können sie von 10.00 bis 18.00 Uhr besichtigen.

Eintrittspreise:
Erwachsene:   3 Euro

Ermäßigt:        2 Euro

Familien:         7 Euro

Gruppen ab 10 Personen: 1 Euro p. P.

Burg und Graf von Gleichen in Kunst und Kultur

Inspirationen finden Künstler nicht nur im Alltag, auch Sagen, Legenden und historische Ereignisse regen die Fantasie an. Goethe hat sich ebenfalls der Sage bedient, in seinem Stück Stella (1775). Der Graf von Gleichen (1827–1828) eine unvollendete Oper komponiert von Franz Schubert, für die Eduard von Bauernfeld das Libretto schrieb, liefert ein weiteres Beispiel.

Wie steht es nun um die Sage vom Grafen von Gleichen mit seinen zwei Frauen?

Ernst III. als Graf von Gleichen wird als Gefolgsmann Ludwig des IV genannt und soll mit diesem auf Kreuzzug gegangen sein. Spätestens gestorben ist dieser allerdings 1230. Entstanden ist die Grabplatte im Erfurter Dom, die einen Mann mit halblangen Haaren zeigt, an dessen Seite zwei Frauen zu erkennen sind, wohl erst nach 1250 und wird Ernst IV. zugeordnet, der mit dem dänischen Königshof verbunden war. Er heiratete zwei Frauen nacheinander.
1539 fordert Philipp von Hessen die Erlaubnis Luthers zur Doppelehe und verweist auf die Sage. Melanchthon und Luther erfüllen den Wunsch. Seither erhält die Sage größere Aufmerksamkeit.

Dass ein Mann zeitgleich mit zwei Frauen verheiratet sein darf, im christlichen Abendland undenkbar, oder? Teile der Burggeschichte finden sich in der Sage.

Was findest du interessant, ist es das Jahr 1231, in dem drei Burgberge mit brenndenden Gemäuern in den Himmel ragen, Heinrich der IV und die Sachsenkriege, die Sage um den Graf von Gleichen, der zwei Frauen heiratete oder ist es die Räuberbande, die dein Interesse auf sich zieht?