Autorenrunde
Die Nervosität wurde schlimmer, die rollige Katze aufdringlicher.
Verschnupft schlucke ich seit zwei Tagen Schmerztabletten, um das Fieber zu senken und will unbedingt noch zur Comiccon und den Künstlerbüchern!
Deadpool will nicht aus meinem Kopf, trotz eingehender Katzenwäsche!
Nach der fünften falschen Wegbeschreibung, zertrete ich die Katze, auf der Suche nach dieser Autorenrunde. Eine Buchbloggerin, mittleren Alters, mit einer nach oben entfliehenden Brille, samt Rahmen, die verzweifelt nach einem Vortragsort sucht, drückt mir eine Karte in die Hand. Selbstverständlich kann man einigermaßen Karten lesen, versichern wir uns gegenseitig. Ihre ringbesetzten Finger zeichnen Hieroglyphen auf die Karte. Sie berichtet von ihrem verzweifelten Versuch sich zurechtzufinden und rechtzeitig an allen Veranstaltungsorten zu sein. Mir ist alles egal, ich komme zu spät zur Autorenrunde, auch wenn ich renne, wird die Zeit mir nicht den gefallen tun, rückwärts zu laufen. Schließlich sind wir uns einig. Ich bedanke mich für die Sicht auf die Karte und gegenseitig schicken wir uns selbstsicher in die falsche Richtung.
Die Menschenmassen bewegen den Boden unter mir. Ein Karussell beginnt sich zu drehen. Nach den Erlebnissen in Zug und Straßenbahn reift langsam die Erkenntnis, dass man sich nicht auf einer Messe befinden sollte, wenn man krank ist. Wie sonst auch, werden sämtliche körperlichen Signale ignoriert.
Ich lande vor einem winzigen Schild, das 4 mal so groß ist, wie ich auf dem »Autorenrunde« steht. Dann stolpere ich desorientiert durch einige Holztüren.
In einem Saal, der mich an die alte Kneipe bei uns im Dorf erinnert, die regelmäßig zu Festlichkeiten, wie Fastnachten und Jagdversammlungen die Tore öffnet, kriecht halb sterbend die Feierlaune hinter meinen Augen vorbei. Man drückt uns eine schwarze Tüten, mit roter Schrift in die Hand und bedeutet uns, dass wir uns setzen sollen. Ein kleiner Teil in mir erwartet, dass eine Kapelle hereinmarschiert kommt, heimatliche Musik spielt und die Anwesenden kurz darauf in Ausgelassenheit verfallen.
Ein Mann mit einem karierten Hemd stellt sich vor als Leander Wattig, das ist unser Organisator. Bereits vor Monaten sind regelmäßig Nachrichten zur Autorenrunde, die er organisiert über Twitter bei mir gelandet. Froh ihn endlich in Natura sehen zu können, sterbe ich fast an einem Hustenkrampf.
Die Auswahl an Vorträgen war für jede ein bis zwei Stunden enorm. Natürlich habe ich mir eine Liste gemacht, aus Vorträgen, die unbedingt gehört werden müssen und denen, die man vielleicht hören möchte. Letztlich endet diese Liste als zerknüllter Zettel in der Tasche. Froh endlich sitzen zu können, ergeben sich erste Kontakte.
»Zuerst stelle ich mich vor, und dann haben Sie die Gelegenheit sich vorzustellen«, dringt es von der Rednerin an mein Ohr. Damit hatte ich nicht gerechnet. Eine schwangere Raupe hatte sich am Vortag dazu entschlossen auf meinen Stimmbändern Kinder zu kriegen. Ich klinge wie eine verschimmelnde Stradivari. Verdammt, wie soll man so souverän auftreten? Schließlich würge ich eines der Raupenkinder hervor, in Form meines Namens.
In einer kurzen Pause reicht man mir Visitenkarten. Es werden Gespräche begonnen. Meist bietet sich die Möglichkeit, den Gesprächspartner seinen Monolog führen zu lassen, wie er es wünscht. Währenddessen beschäftigt sich mein innerer Siegfried damit, sich einen Vorstellungssatz zu überlegen.
Auf Anraten mehrerer Freunde, bin ich nicht als Pokeball oder Tetrisfigur verkleidet aufgetaucht. Nun bereue ich diese Entscheidung. Die fette, pelzige Raupe auf meinen Stimmbändern kriegt mehr und mehr Kinder. Es fühlt sich an, als würde man ersticken, bei dem Versuch zu sprechen.
»Und, was machst du so?«
»Claudia. Hallo, irgendwo zwischen Autor und Blogger. Das eine kann ich nicht, das andere will ich nicht.«
Reicht. Mehr will, muss und kann ich nicht sagen.
Seltsame Blicke folgen. Stolz alles kurz zusammengefasst zu haben, wollen die meisten Autoren wissen, was ich auf der Autorenrunde suche.
Das Fieber und die Vorstellungsrunden brennen mich aus, meine Kontaktfähigkeit und -freudigkeit sinkt. Ich habe gerade keine Nerven für kleine Schrift und stecke die Visitenkarte weg. Mein innerer Siegfried schenkt dem Autor ein kaltes Lächeln und lässt ihn ohne ein weiteres Wort stehen.
Einige Tische an denen Vorträge gehalten werden, sind überfüllt. Man gesellt sich schließlich dazu, man ist ja da, um Vorträge zu hören. Figaro, seines Namens nach ein 13 Zoll Zauberer mit Gamerhardware, bleibt mir im Akku treu und macht neben Papier, Stift und Applegeräten eine gute Figur. Ich nehme mir vor auf der Buchmesse zu bleiben, bis er mangels Stromversorgung aufgibt.
Eine nette junge Frau setzt sich beim Mittagessen neben mich. Ihre Augen leuchten freundlich, sie erzählt von ihrer Website, Büchern, der Arbeit und davon, wie erstaunt sie ist, dass jemand den Mut hat zur Autorenrunde zu gehen, wenn er noch nicht ein Buch fertig hat. Sie drückt mir keine Visitenkarte in die Hand, dafür hat sie, auf mein bitten hin, wenig später einen Stift, um ihre URI mit schöner Handschrift auf mein Messeblatt zu kritzeln.
Am liebsten würde ich die URI sofort in den PC hauen, um zu sehen, was sie macht. Sie gefällt mir, irgendwie süß und sie kaut auf einem Tomate-Mozzarella Brötchen. Man sollte Menschen, mit Tomate-Mozzarella Brötchen eine Chance geben, ebenso wie Kirschkuchenanbetern, Mettbrötchenanhängern und Nutella-mit-Butter-Verschwörern. Am Ende der Veranstaltung versucht sie, ein Glas Wein mit mir auszuhandeln. Leider muss ich ablehnen, Tabletten und Alkohol mögen sich gegenseitig nicht.
Fazit:
Autorenrunde
- kann man hingehen, auch wenn man vorhat ein Buch zu schreiben
- Handwerkszeuginspirationen kann maninnerhalb von acht Stunden mitnehmen, anstatt es über Wochen aus dem Internet anzulesen
Vorbereitung:
- auf der Website über Veranstaltungen, an denen man teilnehmen möchte informieren
- Beschafft euch einen Lageplan
- flache Schuhe für einen Messetag nicht vergessen
An den Messeständen ergeben sich Gespräche, egal ob ihr als Autor, Blogger oder Kunde auftaucht, man ist freundlich und gibt sich interessiert. Gespräche werden nicht nur an den Messeständen geführt auch am Rande finden sich immer interessierte Leser, die gern über ihr Lieblingsbuch, Autor, Manga, Comic und Verlag sprechen.
Lasst euch von dem wohlgestalteten Messegelände verzaubern und traut euch auch mit den gefährlich anmutenden Kreaturen zu sprechen, sie sind stets fröhlich und haben am Ende des Messetages noch die Kraft zu zehnt Westerland durch die riesige Eingangshalle zu peitschen.
Mit dem Gefühl auf einem Volksfest gewesen zu sein, kann ich nur sagen, dass mir die Messe sehr gefallen hat.
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