Sollen in kurzer Zeit große Areale abgesucht werden, wird nicht nur die satellitengestützte Archäologie eingesetzt. Von den Geowissenschaften übernommen, können die Luftbilder auch aus Flugzeugen heraus erstellt werden, sodass in kurzer Zeit relativ große Areale durch die archäologische Flugprospektion (prospicere == hinsehen, vorausschauen) abgebildet werden können.

Anmerkung: Dieser Artikel ist Teil eines größeres Romanprojektes, in dessen Rahmen die Suche nach einer aufgegebenen Siedlung entstanden ist. Nun soll guter Wind kommen oder schlechter, ich habe getan, was ich kann.

Archäologische Flugprospektion – Was ist das?

Die wissenschaftliche Disziplin zur Erforschung schriftloser Kulturen, genannt Archäologie, kann aufgenommene Bilder, die eigentlich für den Umweltschutz und die Landvermessung erstellt wurden, auswerten. Die archäologische Prospektion ist eine Methode oder Verfahrensgruppe. Werden Luftaufnahmen getätigt, ist in den Boden des Flugzeugs eine Kamera eingelassen, welche Bildmaterial sammelt. Mit der archäologischen Flugprospektion, die speziell die Bedürfnisse der Forscher berücksichtigt, können Fundstätten ohne deren Zerstörung, also ohne Eingriff in den Boden erkundet werden.
Die Herausforderung ist es Siedelungsspuren von geologischen, botanischen, tierischen oder geomorphologischen Spuren zu unterscheiden.

Ich seh dich, siehst du mich? – Fünfzig Jahre strengste Geheimhaltung

Im April 1938 findet die Tagung „Luftbild und Archäologie“ statt. Erkenntnisse und Entdeckungen der Flugprospektion werden seither der Öffentlichkeit als Buch oder Ausstellung präsentiert.

Während man in der BRD 1959/1960 damit begann die Luftbildprospektion für die Archäologie einzusetzen, mussten Forscher der DDR auf das Jahr 1989 warten, ehe sie die Methode repressionsfrei nutzen konnten.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Luftbildverbot in einem Teil des Landes bereits ab 1955 teilweise aufgehoben. In Bonn sollte im Jahr 1959 damit begonnen werden das Labor für Feldarchäologie aufzubauen. Irwin Scollar, Elektrotechnikingenieur mit Diplom, habilitiert bei Thellier und ausgestattet mit einem Doktortitel in Vor- und Frühgeschichte, sollte diese Aufgabe übernehmen. So begann 1960 die Luftbildprospektion, als Begleitung der Luftwaffenübungsflüge.

Flüge mit festgelegter Flugroute im Bereich der Braunkohletagebaue waren in der DDR die Ausnahme, dass Archäologen erst nach 10 Jahren ihre Aufnahmen veröffentlichen konnten, kam hinzu. Nach fünfzigjähriger Unterbrechung wurde 1989 die Geheimhaltung gelockert. Archäologen war es gestattet, Luftbildaufnahmen zu tätigen. In Zusammenarbeit mit der Luftfahrerschule Neuhausen bei Cottbus entstehen von 1990 bis 1993 etwa 5000 Luftaufnahmen.

In Sachsen-Anhalt wurde von 1991 bis 2002 nach Luftbildfundstellen gefahndet. Festgehalten auf 2270 Schwarz-Weiß- und Farbdiafilmen und etwa 80 000 Bildern finden sich 5067 Luftbildfundstellen. Seit 1991 sind archäologische Denkmäler in Sachsen-Anhalt geschützt. Im erweiterbaren Denkmalverzeichnis werden bekannte Fundstellen aufgelistet. Allerdings finden sich nur 2% des Gesamtbestandes der 100 000 Fundstellen Sachsen-Anhalts oberirdisch.

Bewuchsmerkmale – Dort wuchs das Getreide nie so recht

Getreidepflanzen entwickeln lange Wurzeln, anhand eines homogenen Wachstumsbildes lassen sich so Bewuchsanomalien erkennen. Errichten wir Siedlungen, greifen wir in die Bodenstruktur ein. Wir benötigen Fundamente für Häuser, Gräben zur Entwässerung, Brunnen oder Zisternen für unser Wasser, Verteidigungsanlagen, Felder und Weiden für die Lebensmittelversorgung und so weiter. Gebäudegrundrisse, deren Fundamente oberflächennah im Boden verblieben, zeichnen sich im Getreide ab.

Monokulturen erweisen sich hier als Vorteil. Ein Teil des Bewuchses weist ein geringeres Wachstum auf als die anderen Pflanzen der Umgebung. Kies und Schotter rufen ähnliche Verkümmerungen hervor. Deren Wasserdurchlässigkeit sorgt bei anhaltender Trockenheit und geringer Humusmächtigkeit dafür, dass das Getreide aufgrund des Wassermangels schneller reift und gelb wird.

Im Gegenzug wachsen Getreidepflanzen, die auf humoser Füllsubstanz stehen, besser, da sich hier Wasser sammelt.
Stünden wir vor einem PC, wäre jede einzelne Pflanze ein Pixel. Alle Pflanzen zusammen ergeben das Raster, in dem sich Unregelmäßigkeiten abheben.

Neben Bewuchsmerkmalen unterstützt Schneefall die Forschungen, da sich durch den Kontrast, hervorgerufen von Licht und Schatten und unterschiedlichen Wärmespeichereigenschaften des Untergrunds, in einer leicht verschneiten Landschaft Anomalien deutlicher abzeichnen.

Deutschland deine Wüstungen –

Bergbau

Pingen und Halden finden sich in Sachsen-Anhalt um Sangerhausen, Eisleben und Hettstedt. Pingen, das sind Vertiefungen in der Landschaft, entstanden durch eingestürzte Schachtanlagen. In ihrer Nähe lagerte man erzfreies Material auf Halden ab. Wurde der Transport im Schacht für das Taube Gestein zu lang, baute man das alte Fördergerüst und die Haspelanlage ab und verwendete sie in einem neuen Schacht. Die alte Schachtanlage ließ man nach Aufgabe einstürzen. Anschließend wurde die Stelle verfüllt oder flüchtig verschlossen. Das für den Wegbau oder die Verfüllung von Schachtröhren verwendete Halden- und Pingenmaterial abzutragen, war jedoch recht aufwendig, daher blieb meist ein leicht gewölbter Acker zurück, der im Zeitverlauf eingeebnet wurde.
Auch Stau- und Speicherbecken, die dem Abtransport des Wassers aus den Schächten dienten, lassen sich aus der Luft erkennen, so zum Beispiel die Teiche bei Harzgerode.

Auf dem Lande

Ketelinge, ehemals gelegen im heutigen Landkreis Schönbeck in Sachsen-Anhalt, wird 1360 noch urkundlich erwähnt. Nur eine Feldmark, eine Ansammlung unbebauter Grundstücke, ist es 1439. Im Jahr 1699 heißt es nur noch „Keteling ist ein grosses wüstes Dorf. Wo die Häuser gestanden, ist auch noch zu sehen. Ist ohngefähr ein Dorf von 60 Feuerstätten.“

Darf außer Acht gelassen werden, dass etwa ab 1347 ein, manchmal lese ich „Wirtschaftskrise“, Bakterium mit dem Namen Yersinia pestis eine große Party auf dem Kontinent veranstaltete und sich schon 1618 der Dreißigjährige Krieg mit seinen populationsdezimierenden Eigenschaften ankündigte? Vermutlich war es keines der beiden Ereignisse, die das Dörfchen ausradierte. Was Ketelinge aus den Urkunden tilgte, ich kann es leider nicht sagen, aus dem Gedächtnis der Landschaft ist das Dörfchen jedenfalls nicht verschwunden.

Ackerbau

Im Zusammenhang mit Wüstungen treten häufig Langstreifenfluren auf. Es handelt sich hier um eine landwirtschaftliche Nutzungsfläche, die mit der Einführung der Dreifelderwirtschaft im Zusammenhang steht.
Dörfer besaßen eine Gemarkung, die sich aus Äckern und von der Gemeinde gemeinsam genutztem Land, genannt Allmende, für das Weiden des Viehs zusammensetzte. Gewannen, sie wurden in Felder unterteilt, wurden zugänglich über Feldwege, einzelne Ackerbeete trennten seichte Gräben. Da von Außen nach innen gepflügt wurde, häufte sich Material zu Mitte hin. Daher müssen die Langstreifenfluren vor Aufgabe der Siedlung angelegt worden sein, sind sie jahrhunderte später auf Luftaufnahmen erkennbar.

Mittelalterliche Siedlungen

Gekennzeichnet durch herzförmige Grundrisse heben sich mittelalterliche Siedlungen ab. Der Torweg wird über eine variable Strecke vom Graben der Umwehrung begleitet. Dieser Rücksprung, der den herzförmigen Charakter ausmacht, führte als Eingang in die Siedlung. Außerhalb der Befestigungsanlagen findet sich meist ein Teich, der bisweilen in heutigen Äckern als Kuhle oder Insel mit Bäumen sichtbar ist. Innerhalb der Befestigung fand sich oft eine dichte Bebauung.

Während die Umwehrung von Dörfern oder Städten der Verteidigung des Humankapitals dient, übernehmen Landwehren dies für Waren und Güter. Fernwege, die die Landwehr durchquerten, wurden meist durch einen Turm, genannt Warte, und oder einen Schlagbaum geschützt. Sie markieren die Grenzen von Landschaften und Territorien. Sichtzeichen spielten bei der Verteidigung eine Rolle, da Informationen so an die Städte weitergeleitet wurden. Nachweise im Rahmen der Luftbildarchäologie finden sich auch in Westfalen.

Aufnahmen mittelalterlicher Dorfkerne finden sich auch für das Land Brandenburg. Ziel war es nach dem Mauerfall die fast authentisch anmutenden Siedlungsstrukturen vor der Überbauung festzuhalten. Bei Elsterwerda wurde eine ganze germanische Siedlung auf einem Gewerbegebiet überbaut.

Der verlassene Wald – Alt-Blankenrode

Zwischen Lichtenau und Scherfelde in Nordrhein-Westfalen verborgen dicht unter der Erdoberfläche findet sich eine vollständige mittelalterliche Stadt. Zwischen 1380 und 1396 vollständig zerstört, zogen die verbliebenen Stadtbewohner in das westlich gelegene Dorf. Die geteilte Stadt, von einem angelegten Graben mit beidseitigem Ringwall durchschnitten, ist eine gemeinsame Gründung des Paderborner Bischofs und des Abtes von Corvey aus dem 13. Jhd. Sie verdankt ihre Entstehung neben ökonomischen auch territorialpolitischen Gründen. Erzgruben finden sich in der Nähe der Stadt, die, lange vor 1298 gegründet, wohl diesen einen Teil ihres Aufstiegs verdankt.

Am Rand der 17ha großen Fläche findet sich eine runde Turmhügelburg. Sie, die Motten, dienten dem niederen Adel als Wohnsitz. Der Teppich von Bayeux bildet eine solche ab. Besucher konnten mit einem Seil hinaufklettern oder über eine Rampe den Graben, entstanden durch das Ausheben von Erdmaterial zur Errichtung des künstlichen Hügels, überwinden.

 

Wie würdest du bei der Suche nach verlorenen Orten vorgehen? Hast du andere Ideen? Würdest du lieber mehr über existierende Siedlungen erfahren?

 

Falls euch Unstimmigkeiten auffallen oder ihr weitere Infos habt, informiert mich.


Dass es zur Literaturliste auf Blogs fiese Diskussionen gibt, ist mir bewusst, die beste, die ich bisher las, war die, dass sie dem Ego des Autors dient. Da mir vor kurzem ein historischer Roman in die Hände fiel, der tatsächlich eine Literaturliste im Anhang besaß und ich ganz aufgeregt aufgrund dieser Entdeckung war, wird sie hier angehängt. Vielleicht ist es beim nächsten Mal wieder anders. Bei Risiken und Nebenwirkungen wendet euch an das Kommentarfeld.


Weiterführende Materialien:

Flugprospektion in Niedersachsen. Luftbilder der Jahre 1989 – 1996 (1999). Stuttgart: Theiss (Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte Beiheft)

Aerial Archaeology Research Group; Brandenburgisches Landesmuseum für Ur- und Frühgeschichte, Potsdam; Luftbildarchäologie in Ost- und Mitteleuropa (1995): Luftbildarchäologie in Ost- und Mitteleuropa. Internationales Symposium, 26. – 30. September 1994, Kleinmachnow, Land Brandenburg = Aerial archaeology in Eastern and Central Europe. Potsdam: Brandenburgisches Landesmuseum für Ur- und Frühgeschichte (Forschungen zur Archäologie im Land Brandenburg, 3)

Albertz, Jörg (1991): Grundlagen der Interpretation von Luft- und Satellitenbildern. Eine Einführung in die Fernerkundung. Darmstadt: Wiss. Buchges

Drößler, Rudolf (1987): Kulturen aus der Vogelschau. Archäologie im Luftbild. 1. Aufl. Leipzig, Jena, Berlin: Urania-Verlag

Fehring, Günter P. (2000): Die Archäologie des Mittelalters. Eine Einführung. 3., verb. und aktualisierte Aufl. Darmstadt: Wiss. Buchges

Grunwald, Lutz; Braasch, Otto (2000): Flugprospektion in Niedersachsen. Luftbilder der Jahre 1989 – 1996. Stuttgart: Theiss (Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte Beiheft, 5.2000)

Kühlborn, Johann-Sebastian; Bérenger, Daniel; Berke, Stephan (1989): Luftbildarchäologie in Westfalen. Münster: Landschaftsverband Westfalen-Lippe Landesbildstelle Westfalen (Westfalen im Bild Reihe Archäologische Denkmäler in Westfalen, 4)

Martin, Anne-Marie: Luftbildmethodik und archäologische Geländeaufnahme in Bayern. @München, Univ., Diss., 1989

Osten-Woldenburg, Harald von der (1998): Unsichtbares sichtbar machen. Geophysikalische Prospektionsmethoden in der Archäologie ; Kolloqium vom 27. Oktober 1994 in Leipzig. Stuttgart: Theiss (Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg, H. 41)

Schwarz, Ralf; Meller, Harald (2003): Pilotstudien. Zwölf Jahre Luftbildarchäologie in Sachsen-Anhalt. Halle (Saale): Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt Landesmuseum für Vorgeschichte

Sinn, Ulrich (2000): Einführung in die Klassische Archäologie. München: Beck (C. H. Beck Studium)

Zickgraf, Benno (1999): Geomagnetische und geoelektrische Prospektion in der Archäologie. Systematik – Geschichte -Anwendung. Zugl.: Marburg, Univ., Magisterarbeit, 1997. Rahden/Westf.: Leidorf (Internationale Archäologie Naturwissenschaft und Technologie, Bd. 2)

Dietrich, Reinhard; Herrmann, Fritz-Rudolf; Ille, Philipp (Hg.) (1997): Zeitspuren. Luftbildarchäologie in Hessen. Landesamt für Denkmalpflege Hessen; Hessen. 2., erw. Aufl. Wiesbaden, Wiesbaden: Hess. Ministerium für Wiss. und Kunst; Landesamt für Denkmalpflege Hessen Abt. Archäologische und Paläontologische Denkmalpflege

Fröhlich, Siegfried; Schwarz, Ralf; Bode, Gero; Mischker, Roman (Hg.) (1997): Luftbildarchäologie in Sachsen-Anhalt. [Spurensuche aus der Luft] ; Begleitband zur Sonderausstellung, Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale), 15.02.1997 bis 31.12.1997. Landesmuseum für Vorgeschichte. Halle (Saale): Landesmuseum für Vorgeschichte.

Gerster, Georg; Trümpler, Charlotte (Hg.) (2003): Flug in die Vergangenheit. Archäologische Stätten in Flugbildern von Georg Gerster ; [Ausstellung des Ruhrlandmuseums Essen, 27. September 2003 bis 29. Februar 2004]. Ruhrlandmuseum Essen; Ausstellung zu Luftbildern von Archäologischen Stätten. München: Schirmer/Mosel

Koch, Marion (Hg.) (1998): „Spurensuche“. Neue Wege der Erfassung historischer Kulturlandschaft ; Einsatzmöglichkeiten der Luftbildinterpretation zur Erstellung eines Katasters historischer Kulturlandschaftselemente am Beispiel des Landkreises Gifhorn ; Vertiefungsprojekt an der Universität Hannover, Fachbereich Landschaftsarchitektur und Umweltentwicklung ; November 1996 bis Dezember 1997 ; Kurzfassung. Institut für Landschaftspflege und Naturschutz. Gifhorn: Landkreis Gifhorn (Materialien zur Archivarbeit, 1)

Oexle, Judith (Hg.) (1997): Aus der Luft – Bilder unserer Geschichte. Luftbildarchäologie in Zentraleuropa ; [Katalog zur Ausstellung]. Sachsen; Ausstellung. Dresden: Landesamt für Archäologie

Trier, Bendix (Hg.) (1989): Archäologie aus der Luft. Sechs Jahre Luftbildarchäologie in Westfalen ; Methoden, Ergebnisse, Perspektiven. Westfälisches Museum für Archäologie. Münster