Beachten Sie bitte, dass dieser Beitrag keine Empfehlung ist, Pflanzen in genannter Weise anzuwenden. Die Vorstellung der App erfolgt mit einem Blick auf Recherchemöglichkeiten für historische Romane. Zuweilen werden Ihnen auf dem Blog technische Hilfsmittel vorgestellt. Jedoch sehe ich mich in der Pflicht, Sie darauf hinzuweisen, dass Sie die »Flora Incognita« nicht blauäugig, vertrauensvoll oder unreflektiert mit einem Gedanken an den heimischen Küchentisch verwenden sollten. Also in diesem Beitrag geht es um die Andeutung von Kräuterwissen.

Angedeutetes Kräuterwissen findet immer wieder seinen Weg in historische Romane, nicht ständig. Eine ganze Reihe an Autor:Innen verzichtet auch darauf. Beschäftigen wir uns heute damit, was wir unternehmen können, um unseren Figuren ein Paar Beispiele an die Hand zu geben.
Ob es sich bei der Andeutung von Kräuterwissen um eine Notwendigkeit handelt, weil die Schulmedizin bekanntermaßen in vielen Jahrhunderten ausbaufähig war, sich Autoren gern mit Volksmedizin beschäftigen – Honig oder Zwiebelsaft gegen Husten, sicher kennen Sie auch irgendein Hausmittel – oder Natur und Gärten geliebt werden, all das und weiteres könnten Gründe für die häufige Andeutung von Kräuterwissen durch Autoren sein.

Seien Sie nicht erbost, dass Ihnen die Phrase »Andeutung von Kräuterwissen« begegnet. Manchmal erhalten Charaktere den Aufkleber »Heiler:in, Bader:in, Ärzt:in, Kräuterkundige:r, usw.«. Zuweilen ist es schlichtweg praktisch, einen Charakter vorstellen zu können, der sich mit der Heilkunst auskennt. Bei Computerspielen und beim Pen&Paper geben Sie dem Charakter einfach ein paar Punkte extra auf diese Eigenschaft. In Büchern wiederum könnten wir ein paar Beispiele anführen, die das Verdeutlichen. Finden Sie nicht auch?

1. Bücher, die sich mit Pflanzenkunde beschäftigen

Für mein letztes Buch war ich auf der Suche nach einer Pflanze mit halluzinogener Wirkung. Selbstverständlich könnte die übliche Verdächtige, die Alraune, jene Arzneipflanzenlücke füllen. Jedoch taucht sie sehr häufig in historischen Romanen und der Fantasy-Literatur auf, wie mir scheint. Als Klischeepflanze sollte sie nicht herhalten. Daher begann die Suche nach einer anderen Pflanze mit ähnlicher oder gleicher Wirkung.

Fündig wurde ich schließlich im Buch »Arzneipflanzenindikationen gestern und heute«. Darin gegenübergestellt werden auch die medizinischen Werke von Hildegard von Bingen (1098–1179) und Leonhart Fuchs (1501–1566). Recht umfassend aufgelistete medizinhistorische Pharmazeutika werden mit modernem Wissen übersichtlich verglichen. Die umfangreichen Tabellen waren sehr zugänglich, darum wird Ihnen an dieser Stelle das Fachbuch vorgestellt.

Nach dem Lesen von Literatur, die sich mit Rausch- und Giftgewächsen beschäftigte, dachte ich, dass das einfacher gehen muss. Zum einen erwies sich die Literatur zur Bestimmung von Pflanzen als viel zu groß und schwer, zum anderen als zu umfangreich für die Informationen, die ich suchte.

Außerdem gehört es zu den teureren Büchern – nicht den teuersten, die Sie ausleihen können, aber den teureren. Da nicht jeder Zugang zu einer Uni- oder Forschungsbibliothek besitzt – aufgrund der aktuellen Lage sind die Bibos mit ihren Öffnungszeiten eh ein wenig schwierig zu handhaben – erfolgt die Vorstellung einer kosten- und zeitunabhängigen Möglichkeit.

2. App »Flora Incognita«

Mittlerweile bin ich auf die App »Flora Incognita« aufmerksam geworden. Sie erweist sich als probates Hilfsmittel, um Kräuterwissen vor Ort zu sammeln. Es sieht so aus als wären wir alle ganz gern in der Natur unterwegs. Ihnen ist möglicherweise gar nicht bewusst, dass man als Autor im ländlich geprägten Raum vor ganz anderen Herausforderungen steht als in der Stadt. Dort fehlt der Zugang zu Informationen, hier fehlt das reale Beispiel.

Kennen Sie das? Sie spazieren durch die Landschaft, entdecken eine Pflanze und denken: Hm, sieht interessant aus. Was du wohl kannst?

Die mit dem Thüringer Forschungspreis ausgezeichnete App, die in Zusammenarbeit der TU Ilmenau mit dem Max-Planck-Institut für Biochemie entwickelt wurde, erscheint mir eine wunderbare Ergänzung zu bekannten Recherchemitteln zu sein. Besser könnten die Referenzen einer App kaum sein.

Bisher wurden 4600 Arten erkannt und acht Millionen Bestimmungen durchgeführt. Wie ich das verstehe, verfolgt die App mehrere Ziele. Hauptziel ist, die Pflanzenbestimmung zu vereinfachen und ein Bewusstsein für Artenvielfalt und Biodiversität zu schaffen. So viele von Ihnen werden nicht mit einem dicken Pflanzenbestimmungsbuch durch den Wald spazieren und ich bin immer wieder gezwungen in der Bibliothek etwas zu suchen. (Ja, die Internetrecherche geht auch. Es gibt genug Blogs und Webseiten, aber Sie wollen Quellen auch nicht ständig auf ihre Verbindlichkeit prüfen, oder?)

Die „Flora Incognita“ erkennt übrigens nicht nur Pflanzenarten, sondern auch Ihren Standort, wenn Sie das zulassen. Die durch Nutzer erstellten Observationen helfen einem Forscherteam dabei, Fragen zu Artenschutz und Biodiversität zu beantworten, also detaillierte Aussagen zur Diversität der Pflanzenwelt in unterschiedlichen Regionen zu treffen. Auch das Projekt Globalxplorer, das Ihnen in einem Beitrag zu satellitengestützter Archäologie vorgestellt wurde, nutzte Community Engagement. Falls Sie das nicht wünschen, lehnen Sie die Anfrage im Dialogfeld ab. Die „Flora Incognita“ lässt sich trotzdem nutzen.

Anwendung:

  1. Spazieren gehen. Draußen.

 

Zunächst gewinnt der Nutzer den Eindruck, die App diene nur der Pflanzenbestimmung. Es fehlte der Verwendungszweck. Statt »Das ist Pflanze XY« war »Pflanze XY wird verwendet für« wichtiger, immerhin will ich weniger Zeit mit Kräuterbüchern verbringen. Offenbar wird sie auch verwendet, um essbare Wildkräuter zu bestimmen, die im heimischen Salat Verwendung finden.

Falls Sie einer Figur den Aufkleber »Kräuterwissen« anheften wollen, erleichtern Sie sich die Arbeit. Sie könnten die Pflanzen vom Wegrand integrieren. Die »Flora Incognita« unterstützt Sie bei der Recherche vor Ort.

Am Ende dieses Artikels muss ich Sie noch einmal darauf hinweisen, dass Sie nicht einfach Pflanzen vom Wegrand naschen sollten. Selbst innerhalb der App »Flora Incognita« und auf der Webseite des Forschungsprojektes wird darauf hingewiesen, dass sich bestimmte Pflanzen sehr schwer voneinander unterscheiden lassen. Beispielhaft seien die wilde Möhre und der gefleckte Schierling wiederholt. Eine Pflanze ist giftig, die andere nicht.
Im antiken Griechenland fand man gezielte Verwendung für die toxischen Eigenschaften von Pflanzen. Als Todesstrafe für Staatsverbrecher wählte Athen…

Erinnern Sie sich an diesen einen griechischen Philosophen? Diesen Sokrates? Das war jener, dessen Freunde ihn nach verlorenem Gerichtsprozess dazu überreden wollten zu fliehen. Der Schluck aus dem SCHIERLINGSBECHER bekam ihm nicht.
Gewinnen Sie griechischen Philosophen ab, was Sie wollen, aber lassen Sie wilde Möhre und Schierling stehen, wenn Sie Doldenblütler nicht eindeutig voneinander unterscheiden können.


Eine Verlinkung des Beitrages und die Literaturvorstellung erfolgte zur weiterführenden Information der Leser, es erfolgte keine Gegenleistung von Seiten der Anbieter. 

Weiterführende Materialien:

Mayer-Nicolai, Christine (2010): Arzneipflanzenindikationen gestern und heute. Hildegard von Bingen, Leonhart Fuchs und
Hagers Handbuch im Vergleich. Zugl.: Würzburg, Univ., Diss, 2009 u.d.T.: Mayer-Nicolai, Christine: Vergleich der durch die
historischen Autoren Hildegard von Bingen und Leonhart Fuchs pflanzlichen Arzneimitteln zugeschriebenen mit aktuell
anerkannten Indikationen. 1. Aufl. Baden-Baden: Dt. Wiss.-Verl. (DWV-Schriften zur Medizingeschichte, 9)

https://floraincognita.com/de/2020/05/24/nur-was-man-kennt-moechte-man-auch-bewahren/

https://floraincognita.com/de/2020/05/14/thueringer-forschunsgpreis/