Dieser Artikel bespricht kein asiatisches Hähnchengericht. Auch kann er Ihnen nicht sagen, ob Theriak und Teriyaki in einem Zusammenhang stehen. Hoffen wir einfach, dass Ihnen das Allheilmittel Theriak noch nicht geläufig ist. Zu einem gewissen Anteil befasst sich der Blogartikel mit Pestbeulen. Bitte überspringen Sie beim Lesen die Überschrift »Theriak – Zubereitung – Anwendungsgebiete«, falls Sie sich schnell ekeln. Heute geht es um eine Zusammensetzung aus orientalischen Ölen, ätherischen Essenzen, Schlangenhaut, geriebenen Knochen und weiteren sich wandelnden Zutaten. Der Theriak gehörte im Mittelalter zu den kostenintensiven Arzneimitteln, wohl wegen der Zutaten.

Woher stammt der Theriak?

Mithridates VI. Eupator, der König von Pontos (um 132-63 v. Chr.) fürchtete Giftanschläge seiner Feinde sehr. In diversen Experimenten und Selbstversuchen, entwickelte er ein Mittel das angeblich aus 54 Zutaten bestand. Gaius Plinius Secundus erwähnt in der »Naturalis historia« den Theriak im Sinne des Wortes als Gegengift. Zu dieser Zeit handelt es sich also nicht um eine einzelne Arznei. Allerdings entwickelten die Römer aus dem Ursprungsrezept zahlreiche Varianten. Andremachos der Ältere, Leibarzt Kaiser Neros entwickelt einen Theriak, der aus 64 Ingredienzien besteht.

Was Mediziner empfahlen – Pest

Als die Pest Europa zum ersten Mal überfiel, empfahlen Mediziner die weite Flucht aus dem betroffenen Gebiet und eine möglichst späte Widerkehr. Die Ausharrenden erhielten Handlungsempfehlungen. Fenster sollten nur in der Richtung der gesunden Nordwinde geöffnet werden. Die Luft in den Häusern war zusätzlich durch das Verbrennen wohlriechender Substanzen zu reinigen. Man hatte sich vor dem Einatmen stark riechender Stoffe zu schützen. Leicht verderbliche Nahrung galt es vom Speiseplan zu verbannen. Selbstverständlich empfahl sich die Einnahme des universell gebrauchten Theriaks, welcher auch als Zutat in Salben verwendet wurde.

Theriak – Zubereitung – Anwendungsgebiete

(bitte zum „Wirtschaftsfaktor Theriak“ scrollen bei vorliegendem Fäkalien- und Pestbeulenekel)

Der Theriak des Andremachos enthielt vor allem Opium als pflanzliche Droge. Als qualitätsbestimmend und charakteristisch wies sich jedoch das Vipernfleisch aus. Bis in das 17. Jahrhundert bestand die geltende Standardrezeptur, die bis auf mehrere hundert Zutaten erweitert wurde. Zubereitet und aufbewahrt wurde der Theriak nicht als Pille sondern als Latwerge. Laut Duden handelt es sich dabei um eine breiig zubereitete Arznei, manche Dialekte verwenden das Wort wohl auch als Synonym für ‚Mus‘. Im vorliegenden Kontext lässt es sich am ehesten mit ‚Arzneimittelbrei‘ übersetzen.

Pestkranke wurden nicht nur dadurch behandelt, dass man ihre Pestbeulen aufschnitt. Auch Salben, die Theriak enthielten, fanden ihre Anwendung. Jene sollten durch dessen Einsatz zum Eitern bewogen werden. Eine Rezeptur enthielt Theriak, Sauerteig, Feigen, in heißer Asche gebratene Zwiebeln, Taubenkot, Senfsamen und frische Butter. Wer es sich leisten konnte, nahm Theriak zu sich. Andere wichen auf Knopfblume, Andorn, Gewürzkräuter, Weinraute oder Beifuß aus und präparierten Flüssigkeiten mit Aromastoffen, um sie sich vor die Nase zu halten.

Wirtschaftsfaktor Theriak

Beginnen wir in Venedig, wo 1285 Vorschriften für die Herstellung des beliebten Heilmittels erlassen wurden. Der Handel blühte. Scharlatane boten Fälschungen auf den Wochenmärkten an. Daher beschlossen die Venezianer, dass nur die staatlich überwachten, fachkundigen Apotheker den Theriak herstellen durften. Als Zentren der Theriakproduktion und des europaweiten Handels etablierten sich im Mittelalter Venedig und Nürnberg.

Bei der niederländischen Westindien-Kompanie zählte der Theriak zu den wichtigsten Handelsgütern. Auch in einer Arzneilieferung der holländischen Kolonie Pomeroon (Guyana) taucht das beliebte Heilmittel auf. Als Antidot, also Gegenmittel, fand er allgemeine Anwendung bei Diarrhö und Dysenterie.

In der galenischen Schrift »De Antidotis« wird festgelegt, dass der Begriff »Antidota« innerlich zu verabreichende Heilmittel umfasst. Entsprechend ihrer Wirkung und des Gebrauchs teilen sich die Antidota in die Gruppen:

  1. Einsatz gegen tödliche Gifte
  2. Einsatz bei Verletzungen durch Gifttiere
  3. Behandlung von Krankheiten, die aus verkehrter Lebensweise hervorgehen

Im 16. Jahrhundert entwickelte sich die Apotheke des Römischen Kollegs der Jesuiten zu einer Institution von internationaler Bedeutung. Sie vertrieb den römischen Theriak auch außerhalb von Europa.

Missionstätigkeiten

Missionstätigkeiten trugen zur Verbreitung des Theriaks bei. Jesuitenmissionaren des 17. Jahrhunderts wurde der römische Theriak (Romana Theriaca) empfohlen. Jener galt als vorzüglich und bewährt, wohl aufgrund der Herstellung in der Apotheke des Jesuitenordens. Vom klassischen „Theriaca Andromachi“ unterscheidet sich der »Romana Theriaca« wohl nicht. Das Medikament hätte auch an anderer Stelle erworben werden können. Der Hauch des Göttlichen und das damit verbundene vertrauensbildende Marketing verlieh dem »Romana Theriaca« aber scheinbar ein besseres Image. Zwei Salben, Pillen und mindestens vier Unzen Theriak empfahl man Missionaren mit sich zu führen, wenn sie in überseeische Regionen reisten. Außerdem sollten sie ein »nützliches medizinisches Buch« mitnehmen.

Was ich mich noch immer Frage, ist, was ein »nützliches medizinisches Buch« in Theologenköpfen, die in von Tropenkrankheiten geprägte Regionen reisen, sein mag. Schnappt man sich den handlichsten Kräuteratlas aus dem Regal, um die Tropenmücken gezielt zu erschlagen? Erhielten sie praktische Hinweise dazu, was sie erwartet, selbst wenn die Missionare kein medizinisches Vorwissen besaßen? Was ist mit dem Gewicht des Gepäcks und den Transportkosten? Wo würde ein Missionar Möglichkeiten bei der Reisegepäckgewichtsreduktion sehen?
Weitere Fragen, die sich beim Lesen ergeben sind: Kann medizinische Literatur, die sich in Laienhänden befindet, als nützlich erweisen? Weil ich gerade nicht mit der Missionstätigkeit des Jesuitenordens oder dem medizinischen Wissen von Missionaren beschäftigt bin, bleiben diese Fragen interessant und unbeantwortet.

Offenbar forderten in mexikanischen Missionen lebende Jesuiten aber immer wieder den Theriak an. Angeblich wirkte er auch dem lebensgefährlichen Stich von Skorpionen entgegen. Ein wahres Wundermittel  war der Theriak also für den, der ihn verkaufte. Da er so universell einsetzbar war, ist er auch in missionspharmazeutischen Handbüchern, wie dem »Florilegio medicinal« vertreten. Der Jesuitenapotheker Johann Steinhöfer (1664-1717) empfiehlt ihn bei:

  • Bissen tollwütiger Tiere
  • durch den Mund verabreichte Gifte
  • durch Toxine verursachte Gelbsucht
  • Lepra
  • durch Blitze verursachte Brandwunden
  • Melancholie
  • Magenruhr
  • Typhus
  • Malaria
  • Syphilis

Theriak in anderen Kulturkreisen

Arabische Welt

Im 9. Jahrhundert wurden die galenischen Schriften in der arabisch-islamischen Welt populär. Der „tiryâķ“ fehlte in kaum einem medizin-pharmazeutischen Werk namhafter Gelehrter. Schwerpunktmäßig konzentrierte man sich weiterhin auf Vergiftungen, besonders auf die durch Tierbisse hervorgerufenen. Allerdings wurde er auch bei lebensbedrohenden Erkrankungen eingesetzt, wie Schlaganfällen, Epilepsie usw.

China

Es bestehen verschiedene Annahmen dazu, wie der Theriak das Land der Mitte erreichte. Er könnte über Persien, mit islamischen Texten, im Zuge politischer Beziehungen zu Byzanz oder auf Handelswegen nach China gelangt sein. Bereits im 7. Jahrhundert soll er Eingang in die Materia medica (traditionelle chinesische Medizin) gefunden haben. Die Drogenkunde mit dem Titel „Xinxiu bencao“ aus dem Jahr 695 enthält eine Arznei namens »diyejia«.
Allerdings heißt es dort, dass das Heilmittel aus Galle hergestellt würde. In der äußeren Erscheinung solle »diyejia« Pillen ähneln, die über einen langen Zeitraum verrottet sind und eine rot-schwarze Erscheinung aufweisen. In China galt die Pille als wertvolle, teure Rarität, die von Zeit zu Zeit von Fremden in das Land gebracht wurde. Ihr Geschmack war scharf-bitter. Zudem bewies sie in Versuchen ihre Wirksamkeit.
Der eigentliche Theriak enthält keine Galle. Er wird nicht als Pille verabreicht. Trotzdem sucht man in diesem Medikament den Theriak zu sehen.

Die Ausführungen an dieser Stelle klangen nicht mehr nach dem Arzneimittelbrei der Europäer. Allerdings auch nicht nach einer Pille. So stelle ich mir eher eine Art Kräuterkloß vor, die beschrieben wird. Das ist aber nur eine Vermutung.

Tibet

Recht vage präsentiert sich die Zuordnung des Theriak in Tibet, der wohl etwa im 8. Jahrhundert in die Region gelangte. Hier wird er als Pille gereicht. Das im Arabischen gebräuchliche Wort „tiryâķ“ hält vermutlich als »daryakan« Einzug in medizinische Schriften. Neben anderen Zutaten enthält es »sbrul snon« und wird mit »blaue Schlange« übersetzt. Es bleibt ungeklärt, ob es sich bei dem Terminus um echten Theriak handelt oder ob nur der Begriff übernommen wurde. Einige Pflanzen der Region werden auch als »daryakan« bezeichnet. »Blaue Schlange« könnte also ein Hinweis auf die Zubereitung sein, aber auch auf eine Pflanze.

Japan

Die Japaner zeigten sich wohl im 17. Jahrhundert recht aufgeschlossen gegenüber den holländischen Wundärzten. Es gibt sogar die Abschrift eines Manuskripts mit dem Titel »Verschiedene Rezepte der Holland-Chirurgie« in der Medizinischen Fakultät der Kyushu-Universität.
Darin heißt es, dass der holländische Chirurg erklärte, dass er das Rezept den Japanern nicht mitteilen könne. Die Zubereitung des Theriak sei in Holland allein Aufgabe der Apotheker. Daher sei der Theriak in Japan nicht herzustellen. Welcher Schrift die Japaner ihr Rezept für den Theriak wenig später entnahmen, wird nicht näher erwähnt.

Nun wüsste ich ganz gern, ob es Blogartikel gibt, die sich mit der Historie des Chicken Teriyaki beschäftigen und ob sich ein Zusammenhang ergibt.


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Weiterführende Materialien:

Fahlenbock, Michaela (2009): Der schwarze Tod in Tirol; Seuchenzüge, Krankheitsbilder, Auswirkungen; 1. Aufl. Innsbruck: Studien-Verl.

Jankrift, Kay Peter (2003): Krankheit und Heilkunde im Mittelalter; Darmstadt: Wiss. Buchges

Pharmaziehistorische Biennale (2012): Gifte und Gegengifte in Vergangenheit und Gegenwart – Die Vorträge der Pharmaziehistorischen Biennale in Mülheim an der Ruhr vom 23. – 25. April 2010;  Stuttgart: Wiss. Verl.-Ges

Schmölzer, Hilde (1985): Die Pest in Wien. „deß wütenden Todts ein umbständig Beschreibung …“; Wien: Österr. Bundesverl.